Wer einen bei tiefer Nacht am See verweilenden Engel auf das Cover seiner Debütscheibe platziert, muss wohl auch mit den nicht ganz haltlosen Kitschigkeitsvorwürfen umgehen können. Damit steht der flotte Friedberger Sechser Seductive Enigma jedoch keineswegs alleine dar, ebenso wenig wie mit der Leidenschaft für die sanften Flüstertöne des Melodic Metal. Die Lyrics aus dem Reich der Gefühle und der Fantasie tun ihr Übriges und jagen griesgrämige Pandabären wie auch Aasfresser gleichsam in die Flucht nach Mordor.
‘Illumination‘ kommt mit insgesamt sieben Tracks daher, von denen allerdings zwei der Stücke (‘My Little Wish‘ und ‘Banned Thrill‘) den glücklichen Besitzern der 2012er Promo bereits bekannt sein dürften. Bei zwei weiteren Songs, dem einführenden Titelstück und dem verabschiedenden ‘Tale of Woe‘, handelt es sich um reine Instrumentalkompositionen, von denen die Erstgenannte, aufgrund der geringen Spielzeit, wohl nur als Intro durchgeht und Letztere auch in einer Version mit Vocals vorliegt. Etwas traurig geleiten im Prolog melancholische Keyboardklänge und die leise Ahnung eines Schlagzeuges in Richtung Passionsweg.
Mit dem quasi ersten vollwertigen Song ‘Fairyblood‘ leisteten die sechs Hessener auch gleich einen Beitrag zur Flutopferhilfe, indem sie den Track für eine karitative Compilation freigaben. Musikalisch wird man eher wenig überrascht und überlässt auch kompositorisch nichts dem Zufall. Keyboardfokussierte Riffs, klebrigsüße Melodien und ein verzückendes Elbenstimmchen sind des Ruhrpottthrashers Guantanamo Bay. Dumm nur, dass der Refrain bereits im ersten Durchlauf hängen bleibt.
Das nachfolgende ‘My little Wish‘ zeichnet sich ebenfalls durch einen recht leichtfüßigen Beginn aus, bevor an der Axtfront mal endlich die Sau von der Leine gelassen wird. Wäre der Sound opulenter, könnte man ganz zu Recht Vergleiche mit Nightwish ziehen, auch wenn das werte Frontfräulein Nadine vom Volumen näher bei Anette als bei Tarja liegt, was man aber im Grunde keiner Sängerin zum Vorwurf machen kann.
Mit ‘Dark Beauty‘ zeichnet die gewähnte Holde ob ihrer roten Mähne und ihres fahlen Teints offensichtlich kein sich rein auf Äußerlichkeiten beziehendes Selbstportrait, braucht sich aber vor einer Schnitte in Schwarz auch nicht zu verstecken. Insgesamt bietet die schöne Dunkle genügend Abwechslung in verschiedenen Stellungen, lässt König Kunde aber trotzdem ein Stück weit unbefriedigt zurück, da im Gegensatz zum Negligé das Soundgewand dick wie Omas Zopfpulli gehört.
Seductive Enigma
Sopran Anmutendes vernimmt man aus der Vocalversion von ‘Tale of Woe‘. Die Töne sitzen hörbar sicher und auch der Song selbst bietet strukturell ein gutes Potpourri aus Riffs und Ruhephasen. Neben dem hitverdächtigen ‘Fairyblood‘ der stärkste Vertreter seiner Zunft auf ‘Illumination‘.
‘Banned to Thrill‘ wirkt für Bandverhältnisse schon fast hart und kann auch gerade wegen seiner progressiven Elemente hier und da durchaus Punkten. Das zu erwartende „Die Schöne und das Biest-Spiel“ bleibt im vorletzten Track allerdings ebenso wenig aus, wie der produktionstechnische Mangel an Bombast. Es müssen ja nicht gleich Chöre zu Heerscharen heran, aber mit etwas mehr Wumms würde man sicherlich mehr als nur ein zustimmendes Nicken ernten.
Resümierend kann man hier sicherlich nicht von einem ungelungenen Debüt sprechen. Die Musik selbst hingegen dürfte wohl bei einem Großteil der harten Garde auf strikte Ablehnung stoßen, denn mit Heavy Metal hat das hier nicht mehr so ganz viel gemein, auch wenn sich gewisse Wurzeln nach wie vor erkennen lassen. Auf die Produktionsdefizite wurde bereits hinreichend eingegangen und diese stellen auch die eigentlich Schwäche von ‘Illumination‘ dar. Wer sich offen zum metallischen Schmonzettentheater bekennt und auch sein Within Temptation-Shirt würdevoll auf Wacken zur Schau stellt sollte hier einen guten Fang machen.